Bei Polar Pinguin ist der Name Programm

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Ein Fußball-Verein mit Sinn für Nachhaltigkeit

Nomen est omen – beim Schöneberger Fußballclub Polar Pinguin. Obwohl das eigentlich gar keine Absicht war, als die Gründerväter den Verein nach der Bar benannten, in der sie ihn 1990 ins Leben riefen. Aber irgendwie stecken die Themen, mit denen sich Polar Pinguin heute neben dem Fußball noch beschäftigt, schon drin: Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Bildung zu Klimathemen.

„Polar ist anders“, sagt Jakob Drügemöller. Der 32-Jährige kennt den Club schon sein ganzes Leben – als Fan, Spieler und Nachhaltigkeitsbeauftragter. „Wir versuchen progressiv zu sein, schnell aktuelle und gesellschaftsrelevante Themen zu erkennen und eine klare Haltung zu haben.“
Nachhaltigkeit ist eines dieser Themen – und das nicht nur, weil es gerade im Trend liegt. Die Mitglieder selbst treiben es an. Viele bringen sich freiwillig ein, haben Fachwissen, Ideen und Lust, sich zu engagieren. „Einige kennen sich sogar mit Fördermitteln und Projektanträgen aus – darin braucht man ja auch Erfahrung“, sagt Drügemöller. Das zeigt: Die Verbindung zwischen Club und Mitgliedern ist eng, die Identifikation hoch. So hoch, dass sich rund 20 Mitglieder sogar den Pinguin tätowieren ließen. Drügemöller war einer der ersten.
Der Club versteht Nachhaltigkeit umfassend – ökologisch, ökonomisch und sozial. Das zeigt sich in vielen Bereichen. Pro Asyl steht auf dem Trikot, obwohl das kein Geld bringt. Stattdessen wird die Bühne des Spieltags genutzt, um Haltung zu zeigen. Die erste Herrenmannschaft trägt mittlerweile fair produzierte Raval-Trikots, neue Trainingskleidung wird sukzessive umgestellt. Denn: Nachhaltigkeit bedeutet auch, nicht alles Alte sofort zu ersetzen, sondern bestehende Ausrüstung aufzubrauchen.
Die Impulse kommen aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Die Fans zum Beispiel – eine Ultra-Gruppe brachte die Idee zu Mehrwegbechern ins Rollen, kümmerte sich um Design und Bestellung. Was mit 200 Stück begann, wächst stetig. Heute bringen manche ihren Becher zu jedem Spiel mit.
Der Verein organisiert außerdem Spieltage mit Botschaft. Beim Watson-Cup, einem jährlich stattfindenden Gedenkturnier, wurde zuletzt das Thema Nachhaltigkeit aufgegriffen – mit Müllvermeidung, vegetarischer Verpflegung und einem Info-Programm. Oder beim Mobilitätsspieltag gemeinsam mit dem benachbarten FC Internationale: Eine Sternfahrt mit dem Fahrrad zum Spiel, vor Ort Reparaturservice und Mitmachaktionen – inklusive Freigetränk für alle, die sich beteiligten.
Besonders wichtig: Kinder und Jugendliche. Im Sommercamp „Pingiuni“ wird nicht nur gekickt. Es geht auch um Fairplay, Ernährung und Umweltschutz. Die Kinder begehen den Platz, entdecken, was besser laufen könnte. Zum Beispiel fehlende Mülltrennung – eine Beobachtung, die der Platzwart aufnahm und weitergab. So entsteht Wandel von unten.

Organisiert wird das alles fast ausschließlich ehrenamtlich. Der Geschäftsführer arbeitet in Teilzeit, viele Projekte leben vom Engagement einzelner. Auch Drügemöller selbst ist ehrenamtlich aktiv, zuletzt hauptamtlich beim Berliner Fußballverband – gefördert im Rahmen der Euro 2024. Seine Stelle wurde nicht verlängert. „Leider ist nun vieles wieder verpufft“, sagt er. „Dabei haben wir gesehen, wie viel möglich ist, wenn man Zeit und Mittel hat.“
Um möglichst viele mitzunehmen, rief Polar 2022 eine AG Nachhaltigkeit ins Leben. Ziel: Aus jedem Team sollte eine Person dabei sein, um die Breite zu erreichen. In Stoßzeiten arbeiteten zehn Leute daran, Projekte zu entwickeln – von Tauschbörsen für Trainingskleidung bis hin zur Re-Use-Plattform beispielsweise für Kindertrikots. Doch auf Dauer ließ sich das Pensum nicht halten. „Die Leute hatten schlicht keine Zeit mehr“, sagt Drügemöller.
Die AG liegt derzeit brach. Für ihn zeigt das, wie wichtig es wäre, Hauptamt zu schaffen: „Man braucht jemanden, der den Hut aufhat, Themen bündelt und dranbleibt.“ Auch im Präsidium brauche es Akzeptanz. Bei Polar sei die zum Glück von Anfang an da gewesen. Aber er weiß: „Viele Vereine kämpfen mit anderen Baustellen. Ich verstehe, wenn das Thema da noch nicht im Fokus steht.“

Trotzdem: Es geht auch klein. Eine Müllsammelaktion mit der BSR zum Beispiel kostet kaum etwas – bringt aber Wirkung. Oder das Einbauen von Themen in bestehende Formate. Der Austausch mit anderen Vereinen ist dafür wichtig. Das geht zum Beispiel beim „Runden Tisch Nachhaltiger Sport“, der vom Aktionsbündnis Fairer Handel organisiert wird – ein sportartübergreifendes Forum zum Vernetzen und Weiterdenken. Auch Polar ist regelmäßig dabei.

Das Profil schärft sich. „Wir merken, dass Leute das annehmen. Einige wechseln sogar zu uns, weil sie unsere Haltung gut finden“, sagt Drügemöller. Preise wie der „Stern des Sports“ in Silber sind da eine wichtige Anerkennung – auch, um Ehrenamtliche zu motivieren. „Das ist die Währung, in der man im Ehrenamt bezahlt wird.“
Wie es weitergeht? Die sportlichen Erfolge in der höchsten Berliner Spielklasse bringen neue Herausforderungen. Polar will sich trotzdem treu bleiben. Keine Gehälter für Spieler, keine Abstriche beim Miteinander. Stattdessen: Die begonnenen Nachhaltigkeitsprojekte verstetigen, das Thema bei jeder Entscheidung mitdenken. Und vielleicht – irgendwann – eine neue AG ins Leben rufen. Oder ein anderes Format finden, das zum Verein passt. Denn eines ist klar: Polar Pinguin ist nicht nur ein Fußballclub. Sondern ein Ort, an dem Haltung zählt. Und an dem alle mitmachen können.

Autorin: Franziska Staupendahl