LSB-Inklusionsmanager Tim Tschauder wirft einen Blick zurück und einen nach vorne
Vor einem Jahr waren die Straßen Berlins erfüllt von der Energie und Begeisterung der Special Olympics World Games. Heute blicken wir zurück und fragen uns: Was hat sich seitdem getan? Wie inklusiv ist der Berliner Sport geworden? Und welche neuen Möglichkeiten haben sich für Menschen mit Behinderungen eröffnet?
Die Weltspiele haben das öffentliche Bewusstsein für das Thema stark erhöht. Viele Berliner*innen haben zum ersten Mal inklusiven Sport erlebt und konnten hautnah erleben, dass Inklusion nicht nur möglich, sondern auch eine wunderbare Bereicherung für alle Beteiligten ist. Zudem hat der Senat zahlreiche nachhaltige Projekte gefördert, die über die Spiele hinaus inklusive Strukturen in der Stadt stärken sollen. So haben z.B. die Übungsleiter*innen von „Sport im Park“ eine Zusatzqualifikation erhalten, um das berlinweite Programm inklusiv anbieten zu können.
Vor allem in den Verwaltungen hat eine deutliche Sensibilisierung stattgefunden. Die World Games haben dafür gesorgt, dass Inklusion und Barrierefreiheit als Themen präsenter wurden. Im Bereich der Planung von neuen Sportstätten hat sich vieles verbessert. Sowohl in den Bezirken als auch in den Senatsverwaltungen wird mittlerweile aktiv der Austausch mit Inklusions-Expert*innen gesucht, wenn Neubauten geplant werden. Es ist auch schön zu beobachten, dass immer besser verstanden wird, dass es essenziell ist, von Beginn an Menschen mit Behinderung in solche Planungen einzubinden. Durch das gestärkte Bewusstsein werden auch immer mehr Veranstaltungen im Sport durch Gebärdensprachdolmetscher*innen begleitet.
Auf Vereinsebene ist durch die Special Olympics World Games ein gesteigertes Interesse zu beobachten. Mehr Vereine möchten sich inklusiv öffnen und fragen aktiv nach Beratung. Innerhalb der letzten zwei Jahre sind neue inklusive Sportgruppen, z.B. im Volleyball, Handball oder Badminton entstanden. Die Weltspiele haben hier sicher einen positiven Einfluss genommen. Das Interesse am Zertifikatslehrgang Inklusion, der sich an das Vereinsmanagement richtet, ist seit den World Games erfreulich hoch. In den Jahren 2022 bis 2024 wurden insgesamt 63 Vereins- und Verbandsmanager*innen geschult. Diese haben wertvolle Erkenntnisse erlangt, um inklusive Strukturen in ihren Organisationen zu entwickeln. Ebenso wächst die Anzahl der Vereine und Verbände, die aktiv beim Fachtag SPORT INKLUSIV mitwirken, kontinuierlich an.
Das Netzwerk Sport & Inklusion konnte durch die Spiele weiter ausgebaut werden und zählt mittlerweile mehr als 200 Mitglieder. Einerseits führt das dazu, dass nun berlinweit Sportvereine besser vermittelt werden können - zuletzt konnte so z.B. Eltern geholfen werden, für ihre blinde Tochter ein Schwimmtraining beim SC Eintracht in Marzahn-Hellersdorf zu erhalten. Andererseits nutzt das Netzwerk seine erhöhte Reichweite, um hinsichtlich Inklusion und Barrierefreiheit politischen Einfluss zu nehmen. Im Jahnsportpark, der zu einem Inklusionssportpark ausgebaut wird, wurde kürzlich das Kompetenzzentrum Inklusionssport (KIsS) eröffnet. Es ist nicht weit hergeholt zu behaupten, dass sowohl das Netzwerk Sport & Inklusion als auch die Weltspiele auf diese Entwicklung einen großen Einfluss genommen haben.
Auch wir als LSB haben uns weiterentwickelt. Es gibt nun z.B. Leitfäden, wie wir uns hinsichtlich der Barrierefreiheit auf Veranstaltungen vorbereiten. Unser inklusives Familiensportfest am Brandenburger Tor im Rahmen der World Games hat das beeindruckend unter Beweis gestellt. Weit über 30 Vereine und Verbände haben dort sich und ihre Angebote vorgestellt. Neben der Position des Inklusionsmanagers gibt es zudem seit 2023 einen Vereinsentwickler, der Vereine dabei unterstützt, inklusive Strukturen aufzubauen und zu stärken. Diese Vereine treten zudem mehr und mehr ins Rampenlicht und belegen in beachtlicher Zahl vordere Plätze bei dem bundesweiten Vereinswettbewerb des DOSB „Sterne des Sports“ oder dem Zukunftspreis des LSB, welchen zuletzt der 1. Berliner Inklusions-Tauchclub gewann.
Dieser positive Rückblick darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland und Berlin in Bezug auf Inklusion und Barrierefreiheit noch weit von Rahmenbedingungen entfernt sind, wie sie die UN-Behindertenrechtskonvention vorsehen und dass wir die Nachfrage nach inklusiven Sportangeboten noch nicht decken können. Die Special Olympics World Games waren in dieser Hinsicht kein Finale, sondern ein Anfang. Das bedeutet, dass wir alle gemeinsam weiter für eine Verbesserung der Situation kämpfen müssen, um eine möglichst selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am Sport zu gewährleisten. Paralympische Spiele 2036 oder 2040 könnten dafür ein weiterer wichtiger Katalysator sein.