Es war ein klein wenig ein Klassentreffen der Engagierten im Berliner Sport. Es war aber dadurch auch ein quasi leibhaftiges Forschungslabor. Die einst als Breitensportkonferenz gestartete Sportentwicklungskonferenz des Landessportbund Berlin (LSB) trug in diesem Jahr den Titel „Generationen als Chance für Sportorganisationen" und nahm hauptsächlich die Schwierigkeiten von Sportvereinen ins Visier, Ehrenamtliche und Hauptamtliche Mitstreitende zu finden. „Wir haben in der Vorbereitung überlegt, ob es für die verschiedenen Generationen auch besondere Ansprachen braucht”, erzählt Anke Nöcker, Leiterin Bereich Sport des LSB. Warum also gehen Menschen 2025 noch in Sportvereine?
Rund 80 Teilnehmenden waren in den Tagungsräumen der Berliner Stadtmission in der Lehrter Straße, zwischen Hauptbahnhof und Sportpark Poststadion, dabei und beschäftigten sich bei sommerlichen Temperaturen rund sieben Stunden mit der Richtung, in die der Sport allgemein gehen wird. Unter ihnen waren LSB-Präsident Thomas Härtel, Michaela Röhrbein, Vorstand Sportentwicklung beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), LSB-Direktor Friedhard Teuffel sowie Mitglieder des Landesausschuss Sport- und Vereinsentwicklung.
Die Konferenz startete mit einer äußerst unterhaltsamen Bestandsaufnahme. Generationenfoscher Dr. Rüdiger Maas räumte mit ein paar Vorurteilen über die jüngsten Generationen Z und Alpha auf und charakterisierte deren Elterngenerationen X und Y. Sie, die Eltern, haben einen viel größeren Einfluss auf das Leben ihrer Kinder, als es bei ihnen selbst oder in älteren Generationen der Fall war. Das hat ebenso tiefgreifende Auswirkungen wie die Verbreitung des Smartphones.
Eltern sind im Leben der Kinder viel präsenter, beschützen sie mehr und nehmen ihnen viele Dinge ab. Kombiniert mit der ständig schnellen Verfügbarkeit aller Antworten per Smartphone, für die wichtige und unwichtige Fragen aufkommen können, und den Effekten, die sich bei bereits normaler Social Media Nutzung einstellen, bleiben psychische Veränderungen nicht aus. Maas, selbst in der koreanischen Kampfkunst Taekwondo sportlich unterwegs, ist jedenfalls Fan von Sportvereinen.
„Je mehr junge Menschen in einem Verein sind, desto besser, denn sie werden resilienter", sagte der Forscher und meint damit eine generell hõhere Robustheit. Diese wird dann wirksam, wenn die jungen Menschen mit etwas weniger Einfluss der Eltern aufwachsen. Außerdem brachte er es angesichts der hohen Smartphone-Nutzungszeiten der Jugendlichen einfach auf den Punkt: „Wenn ein Kind schwimmt, kanns nicht aufs Handy schauen." Maas ist davon überzeugt, dass „Sport ein wichtiger Ausgleich für die Psyche ist."
Im zweiten Teil der Konferenz kamen die Generationen untereinander ins Gespräch und eins wurde ganz schnell klar. Das sportliche Miteinander, das Zusammensein im Verein, ist der größte Mehrwert, den der Vereinssport bietet - generationsübergreifend. Linus Teuffel, Leichtathlet, Vertreter der Generation Alpha und mit neun Jahren jüngster Konferenzteilnehmer formulierte das so: „Mir macht beim Sport im Verein Spaß, dass man es mit anderen macht. Zusammen und nicht alleine."
Darüber hinaus wurden durchaus auch Unterschiede herausgearbeitet. Und diese bezogen sich nicht nur auf sportlich unterschiedliche Fähigkeiten. Vielmehr brauchen viele berufstätige Menschen der mittleren Generationen, gerade Eltern, flexiblere Zeiten für den Sport. Für die Jüngsten und die Älteren sind hingegen regelmäßige Angeboten zu festen Zeiten wichtig.
In der Workshop-Phase konnten die Teilnehmenden dann noch einmal tiefer in die Gebiete eintauchen, die ihnen wichtig waren. Sie erhielten Tipps und konnten sich zu generationenübergreifender Zusammenarbeit in verschiedenen Formen informieren und zum Wissenstransfer im Speziellen austauschen. Und dann war da noch der Workshop, in dem es um E-Sports ging. Ein Thema, das mehrere Tage füllen könnte. Jens Wortmann, Vorsitzender der Sportjugend in Nordrhein-Westfalen, berichtete hierzu von einem Pilotprojekt mit der Landesregierung in NRW. Er beschrieb, wie nicht nur die jüngsten Generationen, sondern vor allem auch Gen Y und Gen Z sich von einem solchen Angebot angesprochen fühlen. Es taugt durchaus zur Erweiterung des Sportvereins. Wenn eine Abteilung aufgebaut wird, sollten dies aber die E-Sportler selbst tun und niemand anders.
Was aber war auch für die E-Sportler*innen der Hauptgrund, in den Verein zu kommen? „Zentrales Alleinstellungsmerkmal ist die soziale Interaktion!”, fasste Jens Wortmann das wichtigste Ergebnis des Modellversuchs zusammen.
Anke Nöcker war als Hauptverantwortliche für den Inhalt der Konferenz zufrieden mit den Ergebnissen. Sie nimmt vieles mit ins Haus des Sports und wird es mit ihrem Team auswerten. Eins allerdings stellte sie auch direkt fest. Es kann nicht schaden, auch mal generationsspezifisch zu denken und etwas zu tun, “dass für eine Generation etwas Besonderes ist.”
Auch die Teilnehmenden nahmen einiges an Inspiration mit nach Hause. „Unser Sportverein wird dieses Jahr 125 Jahre alt und die Struktur ist wirklich sehr alt und verkrustet”, so Andreas Döltgen vom Berliner Gehörlosensportverein hinterher. „Heute habe ich festgestellt, es gibt trotzdem Chancen und Möglichkeiten, die Vereinsstrukturen zu ändern. Ich habe viele Werkzeuge mit an die Hand bekommen, um unser Veränderungsmanagement weiter voranzubringen.”
„Aus dem Workshop Wissenstransfer im Ehrenamt habe ich wirklich sehr viel mitgenommen”, bestätigte auch Antje Engel vom Toruko e.V. und dem SC Siemensstadt die Nachhaltigkeit der Konferenz. „Ich bin in zwei Vereinen aktiv und sowohl im kleinen als auch im großen müssen wir mehr dokumentieren und kommunizieren. Spannend war auch zu hören, dass NRW im E-Sport schon drei Schritte weiter ist und er durchaus förderungswürdig ist.”
„Ich glaube fest daran, dass wir alle Generationen im Sportverein brauchen”, sagte Claudia Zinke, Vizepräsidentin für Sportentwicklung, Breiten- und Freizeitsport, am Ende der Konferenz zusammenfassend. „Auch im Sportverein der Zukunft spielt Gemeinschaft und Zusammenhalt eine wichtige Rolle.” Keine überraschende, aber eine wichtige Erkenntnis in bewegten Zeiten.
Daniel Goldstein