Sich wirklich kennenlernen und einander richtig verstehen – das geht auch im Online-Zeitalter nur durch persönliche Kontakte. Emma, 16, Schwimmsportlerin beim SC Eintracht Berlin, denkt ebenso. Deshalb hat sie sich gefreut, am Jugendaustausch Berlin-Jerusalem teilnehmen zu können. „Es ist immer wieder cool, Menschen von woanders zu treffen. Ich hatte keine Vorstellung, wie Jugendliche aus Israel sind. Sie sind eigentlich wie wir, wachsen nur woanders auf,“ sagt sie.
Seit mehr als 50 Jahren besuchen sich gegenseitig Sportgruppen aus beiden Städten. Eine Gruppe aus Jerusalem war kürzlich wieder in Berlin: 13 junge Schwimmer mit ihren beiden Trainerinnen verbrachten einige Tage gemeinsam mit zehn Mädchen und Jungen aus der Schwimmabteilung des SC Eintracht Berlin. Sie hatten ein umfangreiches Programm mit Sightseeing. Sie besuchten das Olympiastadion, die Topografie des Terrors und die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen. Und sie trainierten zusammen. Aber am interessantesten fanden sie ihre gemeinsamen Gespräche, meisten während der Busfahrten zwischen den einzelnen Programmpunkten.
„Ich hatte ursprünglich gedacht, dass wir nur trainieren und uns über Schwimmtechniken austauschen“, berichtet Emma. „Aber wir haben viel geredet, über Religion. Über Wehrpflicht. Über Krieg. Bei Bombenalarm legen sie sich auf die Erde oder gehen in einen Laden – ich würde weinen, für sie ist das normal. Das tut mir so leid.“
Das Miteinander in der Gruppe, der soziale Austausch – das war auch für Yonathan (17) aus Jerusalem das Beste an den Tagen in Berlin. Bis dahin hatte er kein gutes Bild von Deutschland. Er weiß viel über den Zweiten Weltkrieg. Er hat auch einen entfernten Verwandten in Berlin. „Ich habe gedacht, der Aufenthalt wird schwer für mich“, gesteht er. „Aber das ist nicht so, es fühlt sich hier gut an, wir reden viel, hören zusammen Musik, vergleichen unser Alltagsleben, schließen Freundschaft. Ich bin jetzt sehr aufgeschlossen gegenüber Deutschland.“ Begegnungen wie diese machen ihm bewusst: „Wann immer es Konflikte oder Meinungsverschiedenheiten gibt – dann ist es das Beste, sich zu treffen, sich kennenzulernen und miteinander zu reden.“ Dennoch war er in diesen Tagen mit seinen Gedanken auch immer zu Hause. Am 13. Oktober, als die Waffenruhe-Vereinbarung zwischen Israel und der Hamas in Kraft trat, hatte er sich früh seinen Wecker gestellt, um Nachrichten zu hören und seine Eltern anzurufen. „It was an amazing day, we all were so happy“, sagt er.
Adrian Rodriguez Weber, ehrenamtlicher Trainer beim SC Eintracht Berlin, freut sich über die positive, harmonische Stimmung in der Gruppe. „Es ist so, wie ich es mir vorgestellt habe. Die Jugendlichen haben Erinnerungen für ihr Leben“, sagt er. Er hat sich von Anfang an für den Austausch eingesetzt – der erste, den er als Trainer betreut – und extra Urlaub genommen. Er nimmt auch als Trainer viel mit aus dem Austausch: „Wir trainieren viermal in der Woche. Die Jugendlichen aus Jerusalem achtmal, sie sind auf einem ganz anderen Leistungsniveau als wir. Ich schaue genau hin, wie die Trainerinnen arbeiten, das ist interessant. Ich glaube, sie sind sehr gut ausgebildet. Sie erinnern mich an meine Trainerin früher.“ Als Trainer berührt es ihn, wenn Aktive, die für einen Wettkampf hart trainieren, nicht daran teilnehmen können, weil ihr Land aus politischen Gründen ausgeschlossen ist. „Diese Richtung sollten wir nicht einschlagen“, sagt er. Um solchen Entwicklungen entgegenzuwirken, ist der Sportaustausch wichtig für ihn. „Die Jugendlichen erfahren, dass die Erde größer ist, als sie im Alltag mitbekommen.“
Angela Baufeld
Foto: Emma und Yonathan
