Das Thema ist komplex, die Rechtsprechung dazu uneinheitlich. Dieser Artikel soll zur Sensibilisierung und Klarheit bei der Beschäftigung von Übungsleitenden verhelfen. Besonders bei Überschreiten des Übungsleiterfreibetrags wird die richtige rechtliche Einordnung relevant. Im Zweifelsfall sollte stets eine rechtliche Expertise eingeholt werden, um die im Folgenden thematisierten Risiken zu vermeiden.
Hintergrund für die Verunsicherung ist, dass die Deutsche Rentenversicherung (DRV) in letzter Zeit, vor allem im Bereich der Lehrenden an Volkshochschulen, verstärkt Prüfungen zur Feststellung der Sozialversicherungspflicht vorgenommen hat und eine Veränderung ihrer Prüfungspraxis durch eine verschärfte Betrachtung der Merkmale einer abhängigen Beschäftigung diskutiert wurde.
Vereine und Verbände tragen als Auftrag- bzw. Arbeitgeber ebenfalls das Risiko bei Überprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung wegen Nichtabführen von Sozialabgaben und Steuern, auch rückwirkend, zur Kasse gebeten zu werden. Auch Säumniszuschläge sind üblich. Bei Vorsatz ist dies bis zu 30 Jahre rückwirkend möglich und es droht dann sogar eine Strafbarkeit der Vorstände. Dies kann für den Verein oder Verband, aber auch für die verantwortlichen Vorstandsmitglieder existenzbedrohende Folgen haben.
Durch die DRV erfolgt immer eine Prüfung des Einzelfalls und seiner spezifischen Merkmale. Eine Orientierung erhält der Verein durch den Mustervertrag des DOSB (s. DOSB-Homepage), den dieser zusammen mit den Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger entwickelt hat. Das LSG Hessen, (Urteil 28. Juli 2022, Aktenzeichen L 8 BA 49/19) bestätigte in seinem Urteil, dass der verwendete Mustervertrag zu einer selbstständigen Tätigkeit führen kann. In dem zu befindenden Urteil ging es um den sozialversicherungsrechtlichen Status von zwei Trainern einer Hockey-Herrenmannschaft.
Doch Obacht! Die bloße Verwendung eines Mustervertrags kann ohne vorhergegangene Prüfung fatale Auswirkungen haben! Der DOSB stellt gleich klar: Der Vertrag sei "ausschließlich für die nebenberufliche Tätigkeit in Vereinen/Verbänden konzipiert".
Leider enthält das Sozialversicherungsrecht keine gesetzliche Definition von „abhängiger Beschäftigung“ oder „Selbständigkeit“. Es handelt sich immer um Einzelfallbetrachtungen der Tätigkeiten; dabei wird nicht nur der reine Vertragstext geprüft, sondern auch das tatsächlich gelebte Vertragsverhältnis. Dies bestätigte das oben angedeutete Urteil des Bundessozialgerichts vom 28. Juni 2022, das sogenannte “Herrenberg-Urteil”, in dem die Lehrkraft auf Honorarbasis einer Musikschule als sozialversicherungspflichtig anerkannt wurde. Es führte entgegen allen Vermutungen zu keiner grundsätzlichen Veränderung der Rechtsprechung; diese ist nach wie vor nicht einheitlich. Zumal auch noch unterschiedliche Einordnungen im Arbeitsrecht gegenüber dem Sozialrecht vorgenommen werden.
Demnach verbleiben nur die durch die Rechtsprechung entwickelten Merkmale zur Zuordnung in eine abhängige oder selbstständige Beschäftigung.
Was spricht tendenziell für eine abhängige Beschäftigung??
- Urlaubs- und Abwesenheitsregelungen
- Persönliche Erbringung der Leistung (keine Vertretung kann entsendet werden)
- Nutzung der Vereinsmaterialien und Ausstattung mit Kleidung des Vereins
- In der Außendarstellung unterscheidet sich der*die Trainer*in nicht vom übrigen Team der angestellten Mitarbeitenden (Internetpräsenz, Rufnummer und E-Mail über Verein)
Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit
- Erzielung von höheren Einkünften im Vergleich zu nichtselbständigen Übungsleitenden
- Haftung gegenüber dem Verein im Rahmen des Auftragsverhältnisses
- Weisungsfreiheit gegenüber Beschäftigten (Ort, Zeit, Art und Weise),
- Übungsleitende legt Dauer, Lage und Inhalte des Trainings selbst fest und stimmt sich wegen der Nutzung der Anlagen selbst mit anderen Beauftragten des Vereins ab
- Mehrere Auftraggeber = Tätigkeit auch für andere Vereine
- Nutzung eigenen Materials des Übungsleitenden
- Bezahlung nur für tatsächlich geleistete Unterrichtsstunden/ Geringer zeitlicher Aufwand: Je geringer der zeitliche Aufwand des*der Übungsleiters*in für ihren Verein ist, desto mehr spricht für seine*ihre Selbstständigkeit.
- Pflicht zur Nachholung ausgefallener Stunden
- kein bezahlter Urlaub
- Fehlen eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
- Vertragsabschluss nur, wenn sich genügend Interessenten für die Angebote finden
Anhand der vorgenannten Merkmale lässt sich nur eine Tendenz vermuten; es verbleibt in den meisten Fällen weiterhin eine Ungewissheit, ob es sich im Einzelfall tatsächlich um eine selbstständige Tätigkeit handelt. Vor allem, wenn sich die alltägliche Handhabung von der Vertragssituation unterscheidet.
Statusfeststellungsverfahren - Unklarheiten beseitigen
Für eine verbindliche Klärung der Sozialversicherungspflicht einer Person kann im Einzelfall nur die Deutsche Rentenversicherung weiterhelfen. Im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund kann der Sozialversicherungsstatus einer Person geklärt werden. Den Antrag können sowohl der Verein als auch die Person einzeln, aber auch gemeinsam beide Parteien stellen. Das Ergebnis bindet alle Sozialversicherungsträger. Das Verfahren ist vor der Clearingstelle kostenfrei, aber nicht ohne Risiko.
Sollte das Statusfeststellungsverfahren erst nach längerer Beschäftigungsdauer angestrebt werden und im Ergebnis kommt es zu einer Sozialversicherungspflicht, so ist der Verein ggf. zur gesamten Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge zzgl. Säumniszuschlägen ab dem Beginn der Beschäftigung verpflichtet.
Von dem*der Übungsleitenden kann der vom Arbeitnehmer*in anfallende Anteil jedoch nur für die letzten drei Lohnabrechnungen abgezogen werden.
Es kann sich bei diesem Statusfeststellungsverfahren zur Entlastung des Vereins auch ergeben, dass Übungsleitende nicht als abhängig beschäftigt, sondern selbständig eingeschätzt werden, aber dennoch sozialversicherungspflichtig als „selbständige Lehrende“ sind (siehe § 2 SGB VI). Dann allerdings können diese Übungsleitende selbst zur Sozialversicherung rückwirkend herangezogen werden.
Trotz Klärung Status der Sozialversicherung: Unterschiedliche Betrachtung in den einschlägigen Rechtsgebieten?!
Grundsätzlich müssen bei der Beurteilung, ob es sich tatsächlich um eine selbstständige Tätigkeit oder um eine abhängige Beschäftigung handelt, zudem unterschiedlichste Rechtsgebiete betrachtet werden, die ihrerseits zu höchst unterschiedlichen Zuordnungen und Rechtsprechungen kommen können.
Wer sozialversicherungsrechtlich als “selbstständig” gewertet wird, kann dennoch zum Beispiel vor dem Arbeitsgericht im Rahmen einer Kündigungsschutzklage als abhängig beschäftigt gelten. Ebenso ist der umgekehrte Fall möglich.
Dass unabhängig von der sozialversicherungsrechtlichen Betrachtung ein*e Trainer*in arbeitsrechtlich als Arbeitnehmer*in gewertet werden kann, zeigt das Arbeitsgericht Gera (ArbG Gera, Urteil vom 05. Juni 2024, Az. 4 Ca 700/23).
In diesem Fall kündigte der Verein einem Fußballtrainer, der daraufhin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund einen Antrag auf Überprüfung seines sozialversicherungsrechtlichen Status stellte und dazu vor dem Arbeitsgericht auf gerichtliche Feststellung seines Arbeitsverhältnisses klagte.
Dem Gericht lag ein Vertrag für den “selbstständigen” Übungsleiter vor, in dem das Training für acht Stunden pro Woche und ein Stundenlohn in Höhe von 80 € vereinbart wurde. Die Trainingszeiten waren durch den Verein vorgegeben, das Trainingsgelände gehörte dem Verein.
Das Arbeitsgericht erkannte in dem Fall die abhängige Beschäftigung des Trainers an, da dieser in den Betrieb des Vereins eingegliedert war. Aus diesem Grund konnte der Verein nicht die kurze Frist zur Beendigung des Vertragsverhältnisses anwenden, sondern musste sich den arbeitsrechtlichen Kündigungsfristen zum Schutz von Arbeitnehmern unterwerfen. Hier kann dann auch das Kündigungsschutzgesetz anwendbar sein, was die Kündigung durch Verein oder Verband noch von weiteren Voraussetzungen abhängig macht. Auch im Steuerrecht, v.a. im Umsatzsteuerrecht gibt es je nach Einordnung Fallstricke.
Gilt für Übungsleitende der Mindestlohn?
Ehrenamtlich Tätige in Vereinen gemäß § 22 Abs. 3 Alt. 2 MiLoG vom Anwendungsbereich des MiLoG ausgenommen. Zahlungen, die unter die Ehrenamts- oder Übungsleiterpauschale fallen, sind zudem nicht nur steuerfrei, sondern auch sozialversicherungsfrei. Jedoch obliegt dem Verein bei geringfügig Beschäftigten („Mini-Job“) eine Dokumentationspflicht von Arbeitszeiten gemäß § 17 MiLoG und da gilt dann auch der Mindestlohn, denn ein Mini-Job ist regelmäßig keine ehrenamtliche Tätigkeit. Kombinationen aus Übungsleiterpauschale und Mini-Job sind aber bei kluger Gestaltung möglich. Dann darf aber die Übungsleiterpauschale nicht benutzt werden, um beim Mini-Job auf den Mindestlohn zu kommen.
Sind Erhöhungen der Übungsleiterpauschale vorgesehen?
Aktuell hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 27. September 2024 zum Entwurf des Steuerfortentwicklungsgesetzes eine Anhebung beim Übungsleiterfreibetrag gemäß § 3 Nr. 26 EStG und bei der Ehrenamtspauschale gemäß § 3 Nr. 26a EStG vorgesehen. Demnach soll der Übungsleiterfreibetrag von derzeit 3.000 Euro auf 3.300 Euro und die Ehrenamtspauschale von 840 Euro auf 900 Euro angehoben werden.
Die Entwicklung bleibt abzuwarten!
Fazit
Betrachten wir die vorgenannten Ausführungen und den Blick durch die Rechtslupe, so ist es für alle Parteien sinnvoll, vor der Aufnahme der Tätigkeit ein Statusfeststellungsverfahren bei der DRV durchzuführen. Bei Ausschöpfung des Übungsleiterfreibetrags bietet sich zudem die Vereinbarung eines Mini-Jobs an. Dieser zeichnet sich durch die pauschalierte Abgabe von Sozialversicherungsbeiträgen aus und kann für beide Seiten eine attraktive und rechtssichere Lösung sein.
Autoren: Cornelia Köhncke und Eberhard Philipp Heck