Judo-Training beim Berliner Verein Kaizen: Auf den ersten Blick ist alles wie immer an diesem Nachmittag. Wurf- und Fallübungen als Warm up. Danach Partnerübungen. Die 14- bis 16-Jährigen sind konzentriert bei der Sache. Doch etwas ist anders. Mit auf der Matte trainieren Judoka aus Israel. Sie sind zu Gast im Rahmen des Sportaustauschs zwischen Berlin und Jerusalem. Er wurde vor 55 Jahren ins Leben gerufen und ist ein Beispiel dafür, dass Sport mehr ist als Training, Wettkampf und Medaillen: Sport heißt auch, Spaß haben, Freundschaften knüpfen und Eindrücke fürs Leben gewinnen.
Für viele ist es die erste Auslandsreise. Auch für Hallel. „Ich bin sehr aufgeregt. Aber es ist eine gute Gelegenheit, eine andere Kultur zu erleben. Ich freue mich darauf, Berlin kennenzulernen, und möchte mehr über den Holocaust erfahren“, sagt die 16-Jährige. Ihre Großeltern sind Holocaust-Überlebende, berichtet sie.
Auch die Berliner Jugendlichen freuen sich auf die Gäste und das Besuchsprogramm mit gemeinsamen sportlichen und kulturellen Aktivitäten. Eine historische Stadtführung und die Besichtigung von Holocaust-Gedenkstätten gehören dazu. Viele lernen dadurch ihre eigene Stadt noch besser kennen. Zum Beispiel Felix. „Ich freue mich besonders auf das gemeinsame Training und auf den Besuch von Gleis 17 und der Topographie des Terrors.“ Seine Mutter kommt aus Israel. „Ich weiß viel über die Zeit, auch wenn wir nicht ständig zu Hause darüber reden“, so der 14-Jährige, der Judo von klein auf trainiert. Er findet es sehr schade, dass bei diesem Austausch die Jugendlichen aus Sicherheitsgründen nicht in Gastfamilien untergebracht werden können – wie es sonst üblich ist.
Bei den Partnerübungen auf der Judo-Matte kommen die Jugendlichen so schnell zusammen, als würden sie sich schon ein Leben lang kennen. Für alle ist es ein besonderes Highlight, dass Ori Sasson mitgereist ist. Er gewann 2016 bei den Olympischen Spielen in Rio Bronze und gibt sein Wissen über die Sportart gern an den Nachwuchs weiter. Als 15-Jähriger hat er selbst einmal an einer Begegnung im Rahmen des Sportaustauschs teilgenommen. Seitdem kommt er nach Berlin, so oft er kann. Auch Trainer Yoel Libster ist oft und gern in Deutschland. Er hat schon viele Sportbegegnungen mitgemacht, u. a. mit dem Budo-Club Randori Berlin. Der Verein beteiligt sich seit 29 Jahren an dem Austauschprogramm, berichtet Stephan Steigmann, Lehrer für Sport und Englisch, Trainer und Vorstandsmitglied bei Randori. An diesem Nachmittag ist er beim Training mit Kaizen dabei, um die Gäste aus Jerusalem zu begrüßen – sie werden am nächsten Tag in seinem Verein trainieren. „Wir wollen voneinander lernen. Der Austausch ist wichtig“, sagt er. Das Gespräch kommt auf den Krieg im Nahen Osten: „Unser gemeinsames Training haben wir diesmal allerdings nicht angekündigt. Das ist zurzeit unmöglich. Im Gegensatz zum vorigen Jahr – da kamen dann sogar Gäste aus ganz Deutschland.“
Viele Judoka aus Berlin hoffen irgendwann auf ihren Gegenbesuch in Jerusalem, zum Beispiel Alberta vom Verein Randori: „Ich war noch nie außerhalb von Deutschland und freue mich darauf, gemeinsam mit meinen Judo-Freunden unterwegs zu sein. Aber jetzt hätte meine Mama bestimmt etwas dagegen.“