Wie Mädchen und junge Frauen im Sport besser gefördert werden können

Das Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit des Bundesfamilienministeriums setzt Impulse.

Sport und Bewegung sind unbestritten wichtig für Kinder und Jugendliche: Für ein gutes Körpergefühl, für die psychische Verfassung, für Selbstvertrauen und die soziale Eingebundenheit. Von all den positiven Effekten, die Sport und Bewegung haben, sollten Mädchen und junge Frauen – damit sind alle Personen gemeint, die sich mit diesen Zuschreibungen identifizieren – genauso profitieren können wie Jungs und Männer.

Die Realität sieht jedoch nach wie vor anders aus.

Gleichberechtigte Teilhabe als unerreichtes Ideal

In der alltäglich gelebten Sportpraxis sind Mädchen und junge Frauen weiterhin durchweg unterrepräsentiert – sowohl im organisierten Sport als auch in der freien Nutzung öffentlich zugänglicher Sportflächen.

Die Ergebnisse einer von der Leeds Beckett University durchgeführten Studie im Zeitraum von 2017 bis 2020 – mit Daten von fast 5,5 Millionen Jugendlichen aus 29 europäischen Ländern und 18 verschiedenen Sportarten – zeigen, dass Mädchen viermal seltener als Jungen im organisierten Sport aktiv sind. Insgesamt ist die Sportbeteiligung von männlichen Jugendlichen (80 %) deutlich höher als die von weiblichen (20 %) (siehe: Link)

Auch in Deutschland sind männliche Kinder und Jugendliche in allen Altersgruppen stärker im organisierten Sport vertreten als Mädchen und junge Frauen (vgl. Deutscher Olympischer Sportbund e.V., Bestandserhebung 2020, Seite 13: Link)

Mädchen und junge Frauen finden ihren Weg seltener in den Sportverein. Umso wichtiger ist es, andere – vermeintlich niedrigschwellige – Sport- und Bewegungsmöglichkeiten zu stärken, z. B. den freiausgeübten Sport im öffentlichen Raum.

Wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, sieht, dass Mädchen ab dem Teenageralter kaum auf öffentlich verfügbaren Bewegungsplätzen repräsentiert sind. Bolzplätze, Skateanlagen oder Calisthenics Parks sind meist fest in der Hand männlicher Jugendlicher und Erwachsener.

Dies ist nicht nur ein subjektiver Eindruck: Viele öffentliche genderblind „für alle“ konzipierte Räume werden als männlich konnotiert wahrgenommen und sind für Mädchen und Frauen nicht so zugänglich, wie sie oberflächlich erscheinen. Stadtforscherin Dr. Mary Dellenbaugh-Losse verweist beispielsweise auf eine Studie der Stadt Umeå in Schweden, die belegt, dass Mädchen im Jugendalter mit viel größerer Wahrscheinlichkeit bis zu drei Jahre früher als Jungen aufhören, aktive Erholungsräume zu nutzen (vgl. Link, S. 41).

Dies bedeutet, Jungen profitieren mehr von kommunalen Geldern, die für aktive Erholung ausgegeben werden, z. B. für Fußballplätze, Kletterwände, Skate- oder Parkourparks, während Mädchen und junge Frauen auch abseits des organisierten Sports marginalisiert werden.

Die Ursachen für die großen genderspezifischen Unterschiede an der Teilhabe im und Beteiligung an Sport sind vielfältig, Geschlechternormen und -stereotype ziehen sich schließlich durch alle Lebensbereiche in unserer von Sexismus geprägten Gesellschaft.

Wie kann die Teilhabe und Beteiligung von Mädchen am Sport unterstützt werden?

Viele Ansätze sind bereits bekannt – und warten zum Teil „nur“ auf ihre konsequente Umsetzung: Mädchen brauchen weibliche Vorbilder, Sportler:innen müssen in der Berichterstattung genauso viel Aufmerksamkeit wie ihre männlichen Kollegen bekommen. Auch im Breitensport ist es wichtig, die Position von Mädchen und Frauen in allen Rollen zu stärken, von der Teilnehmerin bis zur Vereinsvorständin. Auch, dass es sichere, diskriminierungsfreie Räume braucht, in denen Mädchen und junge Frauen Sport treiben können, ist nicht neu.

Abseits des organisierten Sports, im freiausgeübten Sport, setzt sich die Erkenntnis durch, dass genderblinde „Angebote für alle“ in der Realität von Mädchen und jungen Frauen deutlich weniger genutzt werden als von Jungs und jungen Männern.

Erfahrungen aus dem Zukunftspaket

Auch im Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit wurde 2023 eine große Bandbreite an Vorhaben im Bereich Bewegung beantragt: Einerseits Vorhaben, die genderblind „für alle“ konzipiert wurden oder sich nur an Jungs richten sollten, ohne dies zu erwähnen, z. B. bei Projekten von Fußball- oder Eishockeyvereinen ohne Mädchenteams.   

Andererseits gab es Anträge, bei denen die Antragsteller von vorneherein einplanten, die Angebote zu bestimmten Zeiten nur für Mädchen zu öffnen, in dem Bewusstsein, dass sie ansonsten vermutlich kaum erreicht würden. 

Und einige nahmen sich ganz explizit vor, Mädchen zu beteiligen: Sie organisierten Mädchensportcamps, unterstützen junge Frauen dabei, Sportarten in geschütztem Rahmen auszuprobieren, oder stärkten Mädchen und junge Frauen dabei, – im, aber auch abseits des Sports – im öffentlichen Raum präsent zu sein und ihre Meinung laut zu sagen.

Das Bewusstsein für die ungleichen Zugangschancen zu Sport und Bewegung ist in der Trägerlandschaft sehr unterschiedlich ausgeprägt.

Mädchen gezielt beteiligen

Eine Chance auf Veränderung liegt darin, Mädchen gezielt bei der Gestaltung von Flächen oder Nutzungskonzepten miteinzubeziehen und Formate anzubieten, in denen sie ihre Meinung und Bedarfe artikulieren können.

Schaut man sich die Beteiligung von Mädchen und jungen Frauen in ländlichen Räumen an, wird klar, dass Mädchen motiviert sind, sich einzubringen und ihre eigene Lebenswelt mitzugestalten. Oftmals sind die ungleichen Voraussetzungen wie strukturelle Gegebenheiten, mangelnde Unterstützung durch andere oder fehlende Angebote Hinderungsgründe, um sich aktiv an Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Bei einer Bedarfserhebung mit Mädchen und jungen Frauen in Sachsen gaben rund 35 % der befragten Mädchen an, das Gefühl zu haben, dass ihr Geschlecht eine Rolle spielt, um ernst genommen zu werden. Knapp 60 % haben nicht das Gefühl, dass ihre Meinung ernst genommen wird (vgl. „Gesehen, gehört,  ernstgenommen werden – Chancen von Mädchen*beteiligung für ländliche Räume“, S. 18)

Was braucht es also, damit Mädchen und junge Frauen sich beteiligen können? Eine wichtige strukturelle Voraussetzung für Engagement ist die Wertschätzung: Mädchen und junge Frauen müssen in ihrer Beteiligung wahrgenommen werden und dafür Anerkennung erfahren. Um Mädchen und junge Frauen an Beteiligung heranzuführen, sind geschützte Räume für freie Meinungsäußerung – safe spaces – ein bedeutender Schritt. Auch ist es wichtig, Vorbilder sichtbar zu machen – im Sport sowie abseits des Sports –, die Mädchen und junge Frauen inspirieren, Wege aufzeigen und ermutigen, ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Grundlegend muss sich außerdem die Wahrnehmung von Frauen in der Gesellschaft verändern – weg vom „schwachen“ Geschlecht hin zu Gleichberechtigung und damit einhergehend geschlechtergerechten, an die jeweiligen Bedarfe angepassten Angeboten.

Wie kann dies nun konkret geschehen? Durch Sozialraumerkundungen wie Stadtteilspaziergängen können gezielt Bedarfe und Wünsche von Mädchen und jungen Frauen erfragt und diese in weitere Planungen miteinbezogen werden. So können Mädchen und junge Frauen ihre Ideen einbringen, wenn beispielsweise Nutzungsflächen im Stadtteil neu konzipiert werden sollen. Auch durch Mentor:innen-Programme – Mädchen und junge Frauen an der Seite von Unternehmer:innen, Politiker:innen oder Frauen aus ihrem Umfeld – können Mädchen und junge Frauen einen niedrigschwelligen Zugang zu Beteiligung und Engagement finden.

Ursula Csejtei, Josefine Paul und Cornelia Schmidt (Deutsche Kinder- und Jugendstiftung)

Das Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit  ist ein Programm des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Es wird umgesetzt von der Gesellschaft für soziale Unternehmensberatung (gsub) und der Stiftung SPI. Der Programmteil „Jugendgerechte Kommunikation und Antragsberatung“ wird verantwortet von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS).

Quellen 

Deutscher Olympischer Sportbund e. V.: Bestandserhebung 2020 (PDF-Dokument)

• ICOACHKIDS: EU Youth Sport Participation Report, 2021  (PDF-Dokument)

Gender, power and politics! - Thirty years of equality work in Umeå municipality, 2019 (PDF-Dokument)

• Deutsche Kinder- und Jugendstiftung: Gesehen, gehört, ernstgenommen werden – Chancen von Mädchen*beteiligung für ländliche Räume, 2023 (PDF-Dokument)